2017 06 24 Astoria 1Theatiner vom Gymnasium der Benediktiner erwecken Stück aus den 30er-Jahren zum Leben

Ein Stück, das kaum noch auf deutschen Bühnen gespielt wird, ein Autor, der in Vergessenheit geraten ist – die Theatiner hatten sich mit dem Stück Astoria von Jura Soyfer keine einfache Aufgabe vorgenommen. Wer sich trotzdem in die Aula der Benediktiner gewagt hatte, erlebte ein satirisches Stück mit erstaunlich aktuellem Bezug. Am Ende freute sich nicht nur Spielleiter Peter Schlomberg: „Die Schüler haben es geschafft das Stück zum Leben zu erwecken.“ Das gelang Theatinern von der Klasse neun bis zu den Abiturienten über die Darstellung der zum Teil skurrilen Charaktere und durch begeisternde Spielfreude.

Staat ohne Unglück und Not

In Astoria gibt es keine Arbeitslosen, keine Kriminalität und kein Unglück. Das Problem: Astoria gibt es gar nicht. Landstreicher Hupka (Mike Read) hat es sich mit dem Graf und der Gräfin von Buckelburg-Marasquino (Marina Hentschel und Jan-Karl Buschfort) nur ausgedacht. Hupka sichert sich so ein Plätzchen im Trockenen, der Graf erfüllt sich seinen Wunsch nach politischem Einfluss und die Gräfin gewinnt neue Millionen nach dem Finanzcrash.

Arme begehren Einlass

Doch die Geschichte verselbstständigt sich. Während der Graf Adlige und kritische Geister durch die Vergabe von Orden von der Existenz Astorias überzeugt, begehren immer mehr Menschen energisch und verzweifelt Einlass. Hupka ist gezwungen, die Hürden immer höher zu hängen, er verlangt teure Einreisevisa und „astorische“ Sprachkenntnisse, bis sein alter Freund Pistoletti (Inga Tolksdorf) ihn auf den Boden der Tatsachen holt.

Obwohl das Stück aus den 30erJahren des letzten Jahrhunderts stammt und auch viele Bezüge zu damaligen Institutionen (Völkerbund), Ereignissen (Schwarzer Freitag) und Kulturgrößen (G.B Shaw, gespielt von Josina Kotthoff) hat, ist es doch erstaunlich aktuell. Wie schafft man Frieden? Durch Grenzverschiebungen und den Austritt aus dem Völkerbund, findet der Graf. Wie hält man sich lästiges Volk vom Leib? Indem man die Grenzen schließt und die Einreisebestimmungen erhöht, entscheiden Hupka und die Gräfin.

Am Ende ist es wie oft: Hupka landet wieder mit Pistoletti und Paul (Johanna Nieder) auf der Straße, während der Graf und die Gräfin ihr Vermögen mit Anleihen im Erdölgeschäft zurück gewonnen haben.

Durch Erdöl-Gewinne wieder oben

Seit September 2016 hatten die Theatiner das Stück ausgesucht, geprobt und es am Ende in einem einwöchigen Kraftakt auf die Bühne gebracht. Dass es zumindest in der ersten Aufführung noch manchmal holperte, warf für die Zuschauer kein Problem, sie lachten trotzdem herzlich über die überzeichneten Figuren, die witzige Darstellung und wurden nachdenklich bei manchem sehnsuchtsvollem Traum der kleinen Leute.

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Die Schauspieltruppe

Zu verdanken ist dieser kurzweilige Theaterabend der gesamten Schauspieltruppe. In weiteren Rollen spielten Eva Schreck (Gendarm), Emma Krupka und Franziska Schemme (Prostituierte), Vivien Geiß (Herr Jacob), Florian Breide (Butler James), Tobias Nieder (Lord R.), Katharina Kersting (Lady P.), Lisa Berkenheide (Journalist), Pia Wirth (Sekretärin), Vivien Sellmann (Lichtkassierer), Vivien Geiß (Mann mit der Sammelbüchse), Mira Dettmann (Bürger Nr. 23687).

Im Hintergrund konnten sich die Theatiner sehr zur Freude der Spielleiter, Peter Schlomberg und Tanja Krajewski, auch wieder auf Jannis Bachen, Marius Bredt und Boris Krajewski für Musik, Beleuchtung und Ton verlassen.
 

HINTERGRUND


  • Jura Soyfer (1912 bis 1939) war ein österreichischer jüdischer Dramatiker und Kabarettist. Er starb 1939 als politisch und rassistisch Verfolgter erst 27-jährig im KZ Buchenwald, nachdem er wenige Tage zuvor seine Einreisepapiere für die USA erhalten hatte.
  • Sein Stück Astoria war noch 1937 uraufgeführt worden – da war Soyfer erst 25 Jahre alt – nur zehn Jahre älter als die meisten Theatiner, die das sprachlich und politisch anspruchsvolle Stück zum Leben erweckten.
WP-Artikel vom 03.07.2017