Im Vorwort seiner Klosterregel entwirft Benedikt eine faszinierende Szene. In der Menge der Menschen steht Gott und ruft: Wer ist der Mensch, der das Leben liebt? Benedikt fährt fort: Wenn du das hörst und antwortest: "Ich", dann meide das Böse und tue das Gute. Suche den Frieden und jage ihm nach. Und wenn ihr das dann tut, sagt Gott zu euch: "Noch bevor ihr nach mir ruft, rufe ich euch zu: Ich bin da!" Ist das nicht eine beglückende Einladung?
In seiner Güte zeigt uns Gott den Weg des Lebens. Jungen Menschen ein Haus zu bieten, um sie auf dem Weg ins Leben zu begleiten, ist Sinn von Schule.
Als man im Jahr 1928 der Idee näher trat, in Meschede ein Benediktinerkloster zu gründen, wurde die Schule schon immer mitgedacht. Die Stadt wollte ihre im Jahr 1859 gegründete Rektoratschule an das neue Kloster übergeben mit dem Wunsch, diese zum Gymnasium auszubauen. Die Gründer von Königsmünster ihrerseits hatten vor, der Schule ein Internat anzugliedern, das Nachwuchs für das Kloster und die weltweite Missionsaufgabe des Klosterverbandes von St. Ottilien erbringen sollte.
Bald nach der Gründung wurde P. Hermann Weggartner Rektor der Schule, bevor diese vertragsgemäß am 1. Juni 1934 in die Trägerschaft des Klosters Königsmünster überging. Recht schnell machten sich dann aber die Veränderungen und Behinderungen durch die nationalsozialistische Regierung bemerkbar. P. Harduin Bießle konnte als Nachfolger von P. Herrmann die Schule nur noch ein halbes Jahr leiten, weil das Kloster, bevor es 1941 selbst aufgelöst und seine Mönche vertrieben wurden, gezwungen wurde, die Schule wieder in die Trägerschaft der Stadt zurückzugeben. Dr. Schoppmeyer, der neue Schulleiter, bemühte sich nach Kräften, die Schule im Sinn des zaghaften Anfangs als Benediktinerschule weiterzuführen. 1944 wurde das erste Abitur abgenommen. 1946 kehrten die Mönche aus Krieg, Gefangenschaft und Verbannung zurück und übernahmen unter der Leitung von P. Harduin ein Vollgymnasium, das im Lauf der nächsten Jahre zu einem Humanistischen Gymnasium ausgestaltet wurde. Als P. Harduin 1956 zum ersten Abt von Königsmünster gewählt wurde und P. Winfried Kämpfer die Schulleitung übernahm, waren Lehrer und Schüler gerade aus dem alten Gebäude in der Stadt umgezogen in das neuerrichtete Gymnasium neben der Abtei auf dem Klosterberg. Nachdem die Stadt Meschede ein Mädchengymnasium errichtete und sich alsbald beide Schulen entschlossen, die Koedukation einzuführen, war das Gymnasium der Benediktiner in Meschede im wesentlichen das geworden, was es heute noch ist: eine Schule, die in der Sekundarstufe I zweizügig ist und in der Sekundarstufe II dreizügig. Etwa 680 Jungen und Mädchen besuchen die Schule und ungefähr 45 Lehrerinnen und Lehrer bemühen sich in Bildung und Erziehung um die Gestaltung des "Menschenhauses" Schule, um darin die Kinder und die jungen Menschen ins Leben hinein zu begleiten. Auch einige Mönche gehören dazu, einige junge Brüder bereiten sich in Studium und praktischer Ausbildung auf ihren Einsatz als Lehrer und Erzieher in der Schule vor.
Weil die Schule ein Teil des Klosters ist, ist sie ein Teil des Hauses Gottes. So nennt nämlich der Hl. Benedikt das Kloster. Wie sich eine solche Schule verstehen kann, lässt sich, wenn man es kurz beschreiben will, aus dem Geist des 53. Kapitels der Regel des hl Benedikt, dem Kapitel über die Aufnahme der Gäste entnehmen: Alle, die kommen, sollen ins Haus Gottes aufgenommen werden als sei es Christus selbst, der kommt. Ihnen soll alles gegeben werden, was sie für ihr Leben als Menschen brauchen. (exhibeatur humanitas). So wird das Haus Gottes ein Menschenhaus, in dem man gemeinsam auf dem Weg des Leben ist.
Die Schule wird dann eine offene Schule sein müssen, wo mit weitem Herzen (dilatato corde) die Tür einladend geöffnet wird, wo taktvoll dem Fremden begegnet wird, wo Suchen und Fragen Welt- und Zukunftsoffenheit ermöglichen, wo aber auch in der Mitte des Hauses ein Feuer brennen muss, das gehütet werden und dessen man sich vergewissern muss. Der offenen Schule muss die integrative Schule entsprechen. Je kraftvoller die gemeinsame Mitte, je übereinstimmender die gemeinsame Überzeugung der Verantwortlichen, desto weiter kann die Tür offen stehen. Im Gastkapitel heißt es nämlich, dass mit dem Gast gemeinsam gebetet werden soll. Dem Fremden, der durch die offene Tür eingetreten ist, wird die Mitte gezeigt, die das Menschenhaus zu einem Haus Gottes macht.
Zwei weitere Aspekte, die einander entsprechen und bedingen und auch zueinander in Spannung stehen, sind für eine Benediktinerschule von großer Bedeutung. Es ist der Blick auf den Einzelnen und der Blick auf die Gemeinschaft. Jedem soll die seiner Würde entsprechenden Ehre und Anerkennung zuteil werden, mahnt das Gastkapitel. Eine Benediktinerschule muss also eine personale Schule sein, in der der Mensch, auch der noch wachsende, in seiner von Gott geschenkten Einmaligkeit und Unaustauschbarkeit gesehen und respektiert wird, in der er lernen kann, seine Freiheit in Verantwortung zu gebrauchen. Der personalen Schule entspricht die solidarische Schule, in der der Einzelne lernt, miteinander und füreinander dazusein. Im Gastkapitel steht das Wort von der dienstbereiten Liebe. Gegenseitiges Vertrauen und die Suche nach Frieden, Einsatzbereitschaft und Verantwortung sind darum wichtige Lernziele benediktinischer Schulen.
Den Gästen soll alles gegeben werden, was sie als Menschen brauchen. Für die Schule heißt das: Es soll ihnen Wissen und Können, Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Welterforschung und Weltgestaltung in hoher Qualität vermittelt werden. Die mittelalterlichen Klosterschultradition liefert da gute und brauchbare Anregungen. In ihr kann man entdecken, dass die mittelalterlichen Schulen heutige Einseitigkeiten vermieden. Hand und Kopf, Verstand und Gemüt, Leib und Geist, Gebet und Arbeit wurden zusammen gesehen und ganzheitlich gefördert. Die gesamte Kulturwelt des Klosters war der Raum des Lernens. Dies wiederzugewinnen, ist ein Ziel unserer Schule. Großer Wert wird auf den Erwerb der Sprachkompetenz gelegt. Kontakte mit Partnerschulen (meist ebenfalls Benediktinerschulen) in England, Irland, Frankreich, Ungarn und den USA bieten ein breites Übungsfeld für Kommunikation und Freundschaften. In den Naturwissenschaften wird den unterschiedlichen Zugängen von Jungen und Mädchen Rechnung getragen. Der künstlerisch-kreative Bereich hat neben dem normalen Unterricht zahlreiche Tätigkeitsfelder, was sich in Konzerten, in Theateraufführungen und Ausstellungen zeigt. Dem Spannungspol dieser weltzugewandten, die Welt sich aneignenden Schule entspricht ergänzend und vertiefend die Schule, die auf Gott hinweist, die den Weg zu ihm sucht und sich seiner vergewissert. Diese Schule wird die Grenzen unserer menschlichen Fähigkeiten benennen, Raum geben für letzte Fragen, geschwisterliche Glaubensbegleitung anbieten, Fehlerhaftigkeit und Scheitern unter der Gnade Gottes auszuhalten, Rhythmen und Räume zu schaffen, in denen sich die menschlichen Anlagen des Religiösen entfalten und wachsen können. Im Regelkapitel über die Aufnahme von Fremden wird der Gast ja auch mitgenommen in den inneren Bereich des klösterlichen Lebens, der ganz geprägt ist von der Suche nach Gott.
In einer Benediktinerschule sollen Menschen sich zu Hause wissen. Über unserer Klosterpforte steht nach alter Tradition ein doppelter Gruß: Friede denen, die hereinkommen, Heil denen die wieder gehen. Eine große Schar von Menschen sind in den 60 Jahren unseres Gymnasiums gekommen und gegangen. Durch sie ist unser Kloster ein Stück mitgegangen in die Bereiche, in denen sie jetzt leben. Es soll aber auch gesagt werden, dass die Schule zurückstrahlt ins klösterliche Leben. Durch die Lebensbegleitung der jungen Menschen in Oase und Schule werden wir Mönche angeregt, offen zu bleiben für die Fragen und Chancen unserer Zeit. Gegenwart und Zukunft unserer Welt werden in den Blick genommen.
Wer Menschen begleiten will auf dem Weg ins Leben, schreitet in seinem eigenen Leben fort. Sein Herz weitet sich. Dilatato corde ist ein Wort der Benediktusregel und der Wahlspruch unserer Schule.