(entnommen aus dem RUNDBRIEF 2001, S. 8ff)

Die Planungen für den Neubau des Gymnasiums der Benediktiner wurden nachhaltig durch die Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre geführte Diskussionen über Anforderungen an einen modernen Schulbau bestimmt, die in den sogenannten "Fredeburger Richtlinien" dokumentiert sind. Mit der Tagung der "Fredeburger Besprechungen" vom 17. bis 21. Juni 1949 begann man eigentlich erst nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs Unterlagen für die auszuarbeitenden Richtlinien und Empfehlungen zu beschaffen und zu bewerten. Zu diesem Zwecke bereisten ministerielle Stellen in den folgenden Jahren immer wieder das Ausland, um festzustellen, in welche Richtung sich das "neutrale Ausland und Amerika" während des Weltkrieges nach den modernen Baumöglichkeiten entwickelt hatten. Festgestellt wurde, dass man eine Zeit lang dem aufgelockerten Schulbau mit mehreren erdgeschossigen Klassentrakten den Vorzug gegeben hatte; was daraufhin in Deutschland ebenso versucht wurde. Aus finanziellen Gründen ging man von dieser Bauweise wieder ab und zu mehrgeschossiger Klassenbauweise über, wobei man nun der einhüftigen Bauweise der Klassentrakte den Vorzug gab.

Auf Betreiben des Architekten Schneider-Esleben hatte sich seit Mitte der fünfziger Jahre der Konvent von Königsmünster mit diesen neuen Erkenntnissen, die zunächst nur als Empfehlungen für Schulbauten ausgesprochen waren, zu beschäftigen. Der bisherige Entwurf eines zweihüftigen Schulbaus auf der vorhandenen Krypta wurde hinterfragt und seitens des Architekten eine Voranfrage zur baufachlichen Genehmigung an die zuständige Regierungsbaubehörde gerichtet, zumal durch Verhandlungen mit dem Ministerium für Kultus und Wiederaufbau ein staatlicher Zuschuss für den Bau des Gymnasiums in Höhe von 400.000 DM erwirkt worden war. Sofern das Land einen Zuschuss in solcher Höhe gewährte, prüfte das Wiederaufbauministerium laut interministerieller Absprache das Bauprojekt. In unserem Falle befand Herr Schuldezernent Reisinger darüber, dass die Schule nicht nach den bisherigen Plänen, sondern eher auf einem freien Gelände erbaut werden sollte, und zwar nach den Gesichtspunkten eines "modernen Schulbaus".1 Aufgrund der angedrohten Streichung des erwirkten Zuschusses stimmte der Konvent auf Vorschlag von P. Prior Alban den veränderten Bauplänen in der Sitzung vom 03. April 1956 zu.2

Nach dem Placet des Konventes entwarf Architekt Schneider-Esleben umgehend die Pläne, die zwischen der zuständigen Kreisbauverwaltung und den klösterlichen Verantwortlichen abgestimmt wurden. Trotz aller Absprachen sollte es nur ein Jahr später zu einem scheinbar unüberwindbaren architektonischen Streit zwischen Architekt und Bauherrn über die Dachform des Neubaus kommen, wie aus einem Brief des Landesbaupflegers für Westfalen, Herrn Brunne, zu entnehmen ist.3

"Der vorhandene Rohbau ist als Teil einer durch den Lageplan vom 10. 4. 1956 ausgewiesenen großen Bauanlage zu beurteilen. ... Die Frage, ob der Bauherr aus ihm wesentlichen Vorstellungen heraus ein Dach verlangen kann, auch für diesen Baukörper, muß ich bejahen, denn der Architekt hat in seiner ursprünglichen Entwurfsfassung ein flachgeneigtes Dach vorgesehen. Allerdings zeigte die erste Baueingabe auch eine Fassadenausbildung, die das Dach zurecht auswies. Wenn so charakteristische Umstellungen ohne Verbindung mit der Bauherrschaft, zu der ja auch der Kreis gehört, und ohne Besprechung mit der Kreisbauverwaltung vorgenommen worden sind, dann ist eine baldige grundsätzliche Besprechung der Partner von entscheidender Bedeutung. In dieser Besprechung müßte sowohl der vertragliche wie auch der gestalterische Teil des offenbaren Dilemmas erörtert werden."

Mit Schreiben vom 4. Juni 1957 brachte Kreisbaumeister Zöllner der Abtei das vorstehende Schreiben zur Kenntnis. "Falls die Abtei sich nicht von sich aus für das flachgeneigte Dach entscheidet, halte ich die von Herrn Brunne im 3. Absatz angeregte Besprechung aller Beteiligten für notwendig."4, so Zöllner.

Am 09. Juli 1957 berät der Bauausschuss des Klosters mit Herrn Architekten Schneider-Esleben über die aufgeworfene Frage: Flachdach oder flachgeneigtes Dach. P. Prior Paulus wird nach internen Beratungen seitens der Gemeinschaft beauftragt, Herrn Architekten Schneider-Esleben die getroffene Entscheidung mitzuteilen. In seinem Brief vom 10. Juli 1957 schreibt er:

"Im Anschluß an unsere gestrigen Besprechungen muß ich Ihnen mitteilen, daß der Konventsentschluß und -beschluß für ein flachgeneigtes Dach, wie er Ihnen und dem Kreisbaumeister Zöllner mehrere Tage vor Pfingsten mitgeteilt wurde, nicht zurückgenommen ist und auch nicht zurückgenommen wird. Wir schätzen Ihr großes Interesse am Bau des Gymnasiums und wissen Ihr Anerbieten, gegebenenfalls die Differenz zwischen den Kosten des Flachdaches und eines flachgeneigten Daches persönlich zu tragen, wohl zu würdigen, können es jedoch nicht annehmen. Damit Sie sich, veranlaßt durch Äußerungen unseres P. Kuniberts, nicht noch mehr Mühe machen mit der Planung des Flachdaches, schreibe ich Ihnen. Es ist wirklich zwecklos, dieses Thema noch länger zu verhandeln; es würde dabei nur unnötig wertvolle Arbeitskraft und kostbare Zeit, Ihre und unsere, vergeudet, und die Zeit, die für die Fertigstellung des Gymnasiums zu Ostern nächsten Jahres, die uns, den Schülern, den Eltern und - wie ich überzeugt bin - auch Ihnen sehr am Herzen liegt, selbst bei bester Ausnutzung ohnehin sehr knapp ist.

Sehr geehrter Herr Architekt! Sie sprachen davon, mit Herrn Leventon nach hier zu kommen und von ihm die Statik bezüglich des flachgeneigten Daches überprüfen zu lassen. Dazu muß ich Ihnen sagen: Vor unserer, d.h. des Konventes Beschlussfassung, haben wir uns von einem Statiker über die Möglichkeit eines flachgeneigten Daches für diese Konstruktion des Baues informieren lassen und haben erfahren, daß von der Statik her kein Hindernis für diese Dachart gegeben sei. Um unnötige Kosten zu vermeiden, die der Bauherr nicht zu tragen gewillt ist, muß ich auch das Ihnen mitteilen. Und nun bitte ich Sie aufrichtig, uns nicht gram zu sein, weil wir Ihren Ansichten in diesem Punkte unsere Zustimmung nicht geben."5

Mitten in dieses architektonische Dilemma gelangte an Abt Harduin ein Brief des Regierungsbaurates Reisinger, datiert vom 11. Juli 1957:

"Anlässlich einer Dienstreise nach Lemgo hatte ich Gelegenheit, gemeinsam mit Herrn ORR. Dr. Seel vom Kultusministerium mich vom Baufortschritt Ihres Gymnasiums zu überzeugen. Dabei wurde mir von Ihren Ordensbrüdern eröffnet, dass die Absicht besteht, statt des ursprünglich vorgesehenen Flachdaches nunmehr ein Ziegeldach mit entsprechender Neigung auf das Gebäude zu setzen. Dadurch würde die dem ursprünglichen Entwurf zugrundeliegende künstlerische Lösung in sehr negativem Sinne beeinträchtigt. Hätte von Anfang an die Absicht bestanden, ein Dach mit stärkerer Neigung auf die Baugruppe zu setzen, hätte eine andere Entwurfskonzeption vorliegen müssen. Das Bauwerk fügt sich in der dachlosen Form sehr gut in das Landschaftsbild ein und wird, von Meschede aus gesehen, eine positive Bereicherung des gesamten Ortsbildes darstellen.

Eine Übernahme der Dachform des Altbaues (Anm. d. Red.: Klostergebäude) kann unter keinen Umständen angestrebt werden, da hier gänzlich andere architektonische Voraussetzungen vorliegen, jede anders geartete Dachform würde ein verwaschenes Bild ergeben.

In Anbetracht dieser Tatsache wird auch der Interministerielle Schulbauausschuss nicht bereit sein, von seiner ursprünglichen Stellungnahme dem Gesamtwerk gegenüber abzuweichen. Ich empfehle daher die Beibehaltung der Flachdachlösung. Selbstverständlich wird dabei vorausgesetzt, dass die Ausführung fachgerecht, zweckmässig und ohne Kostenerhöhung erfolgt. Ich bitte Sie daher, auch Ihrerseits im Interesse einer einwandfreien künstlerischen Lösung Ihren Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass das Vorhaben in obigem Sinne durchgeführt wird."6

Eine Durchschrift dieses Briefes ging an den Architekten, der seinerseits sich an Abt Harduin wandte, der zu der Zeit in seiner Heimat Gotzing bei Miesbach in Oberbayern zum jährlichen Urlaub weilte. Er schrieb:

"Das Betonskelett der Schule ist fertig, und ich war sehr froh, dass die schon jetzt sichtbaren Proportionen versprechen, den Bau sehr schön werden zu lassen.

Nun wurde mir von Herrn Pater Prior eröffnet, dass er unbedingt wünsche, dass der Bau einen Dachaufbau bekäme mit der Begründung, dieser sei billiger als das geplante Flachdach.

Sehr verehrter, Hochwürdigster Vater Abt, diese einschneidende Änderung bringt die gesamte Konzeption des Bauwerkes durcheinander. Soll der Bau mit einem Dach ausgebildet werden, so müssen wir einige Zeit dazwischenschieben, um alle Details, wie Treppenhäuser, Anschlüsse etc. neu zu zeichnen, d.h., der Bau könnte nicht zügig weitergebaut werden. Wenn ein Schieferdach aufgesetzt werden würde, müsste es zumindest von der gleichen Qualität wie das des Altbaues sein. Eine primitive Verschieferung mit schlechtem Material, wie sie z.B. für Scheunen verwendet wird, käme für unseren Bau nicht in Frage. Wir haben nun eine genaue Preisrelation zwischen Steil- und Flachdach aufgestellt, mit ortsüblichen Preisen. Es stellt sich nun heraus, dass das Schieferdach teurer wird. Da aber die Stadt Meschede Ihnen das Holz stiften wird, besteht vielleicht die Möglichkeit eines gleichwertigen Preisbildes. Sollte sich bei der verbindlichen Preisermittlung jedoch herausstellen, dass das Steildach billiger ist als das Flachdach, so erkläre ich mich bereit, diese Differenz für die Dachhaut von meinem Architekten-Honorar abzuziehen. Dieses Angebot habe ich mir sehr reiflich überlegt, aber ich bin bereit, dieses persönliche Opfer zu bringen, um den Bau vor einer Verschandelung zu bewahren.

Sehr verehrter, Hochwürdigster Vater Abt, ich bitte um Ihr menschliches Verständnis. Ich bin in einer solchen Gewissensnot und sehr unglücklich über die beabsichtigte Verunstaltung dieses Bauwerkes. Falls Herr Pater Prior auf dem Dachaufbau besteht, wäre es sicherlich besser, wenn ich mich von dem Bauwerk distanziere, d.h., ich müsste die Arbeit niederlegen, da ich mit einem so denaturierten Bauwerk nicht meinen mühsam erworbenen Architektennamen ruinieren kann. Ein künstlerisch denkender Mensch und derjenige, der sich mit diesen Dingen einmal auseinandergesetzt hat, wird Ihnen dasselbe sagen. Herr Pater Kunibert war auch der Ansicht, dass es jammerschade wäre, wenn dieser Kubus durch ein Dach verunstaltet würde, und dass ein Steildach dem Bau nur abträglich wäre.

Vieles verbindet mich mit dem Benediktinerkloster Meschede, und ich habe es als meine Lebensaufgabe betrachtet, weiter an dieser Klostergründung mitzuwirken, die nun Abtei geworden ist, auch, um das Werk meines verstorbenen Vaters fortzusetzen. Ich wäre sehr betrübt darüber, wenn dieses Alles beendet würde durch Forderungen pseudo-ästhetischer Vorstellungen, die für mich architektonisch unannehmbar sind. Mir liegt vielmehr daran, Ihnen den Bau so gut und nach den besten Regeln der Baukunst zu erstellen, wie es meine Pflicht als Architekt ist. Ich bin bereit, wie oben gesagt, ein finanzielles Opfer zu bringen für eine ehrliche, anständige Baugesinnung, falls sich herausstellen sollte, dass durch die Holzstiftung das Steildach billiger als das Flachdach sein sollte, was ich zunächst noch nicht annehme."7

 

 

Dem Brief angefügt war eine Ermittlung der zu erwartenden Kosten. Die Kosten für ein Flachdach, hergestellt von der Firma Grünzweig & Hartmann, mit Garantieerklärung der Dichtigkeit, beliefen sich wie folgt:

 


I a)                Bims                                                    ca. DM 13.325,--

                                        Dachhaut                                            ca. DM 18.457,--

                                        Gesamtkosten des Flachdaches     ca. DM 31.782,--

 b)                Ein Flachdach, ausgeführt von

                    der Firma Organaplast,

                    würde kosten:                                    ca. DM 30.288,--

 

II                Demgegenüber stehen die

                  ermittelten Kosten eines

                  Schieferdaches, pro qm

                  DM 13,-- mit Holz, Pappe,

                  etc., mit                                                ca. DM 34.000,--

 

Da jedoch das Holz von der Stadt Meschede gestiftet werden sollte, beliefen sich die Kosten für ein Schieferdach ohne die gelieferten Sparren auf ca. DM 30.560,--.

Schneider-Esleben kam aufgrund dieser Berechnung in seinem obigen Brief zu der Feststellung:

"Sie sehen, dass im Grund genommen, das Flachdach billiger ist, sollte sich aber bei der weiteren Auftragserteilung ergeben, dass eine Differenz besteht, so stehe ich zu meinem Angebot, diese Differenz selbst zu tragen.

Sehr verehrter, Hochwürdigster Vater Abt, ich bitte, meine grosse Sorge um das Gelingen dieses Baues, der mir sehr am Herzen liegt, zu verstehen und tragen Sie, bitte, dazu bei, dass wir ein sauberes Bauwerk erstellen und nicht eine verfälschte Angelegenheit."8

Mit Datum vom 18. Juli 1957 versuchte der Architekt auch den mit der Bauleitung beauftragten P. Prior Paulus von der notwendigen Flachdachform des Neubaus mit Verweisen auf erste Planungen von P. Prior Alban und mit Hilfe von Verweisen auf die Sparsamkeit seines Modelles zu überzeugen. Er schrieb:

"Das Bauwerk wurde einmal mit Dach konzipiert und hierfür wurde ein enger Stützenabstand gewählt, der ein Dach rechtfertigt. Nachdem der damalige Pater Prior im In- und Ausland sich neue Kirchen und Schulen angesehen hatte, war er ebenso überzeugt wie ich, dass auf diese Stelle ein Flachdach gehört, und wir haben den Bau mit einem grösseren Stützenabstand geplant und ein Flachdach vorgesehen. Sämtliche Detailzeichnungen sind hierfür fertiggestellt.

Inzwischen haben wir die endgültigen Preise eingeholt, und es ergibt sich folgendes Bild:

Nach verschiedenen Schieferangeboten aus Meschede ist das billigste Angebot in altdeutscher Schieferdeckung pro qm DM 14,94, das höchste Angebot in altdeutscher Schieferdeckung DM 17,90 pro qm. Die anderen Angebote liegen dazwischen.

Bei der billigsten Schieferdeckung beliefe sich der Preis auf

DM 21.836,-- 

Die hierfür erforderlichen Zimmererarbeiten belaufen sich nach Angeboten aus Meschede auf

DM 19.294,-- 

Gesamtkosten für das Steildach  

DM 41.130,-- 

Bei bauseits gestelltem Holz belaufen sich die Zimmererarbeiten für den Dachstuhl auf (Holz von der Stadt Meschede gestiftet)

DM 15.607,-- 

Damit betragen die Kosten für ein Steildach bei bauseits geliefertem Holz

DM 37.443,--

 

Für die Kosten des Flachdaches haben wir zwei Preisangebote:

1) In Organaplast mit Schiefersplittauflage

DM 28.815,-- 

2) In mit beliebig gefärbter Bitumendeckung

DM 25.631,-- 

 

Es ergibt sich also eine Preisdifferenz zwischen dem teureren Flachdach

DM 28.815,-- 

und einem Schieferdach von

DM 41.130,-- 

von insgesamt

DM 12.315,-- 

 

Bei von der Stadt Meschede gestiftetem Holz liegt die Differenz zugunsten des Flachdaches mit

DM 8.826,--

 

Da der Bauausschuss bisher immer betonte, dass seine Einwendungen in erster Linie auf finanziellen Erwägungen beruhen, dürfte sich doch jetzt eine klare Marschroute ergeben haben. Ich bin bereit, sofort nach Meschede zu kommen, um Ihnen die Preisangebote vorzulegen und Weiteres zu besprechen. Da die bisherige Meinung des Bauausschusses zu Recht bestimmt war vom Preisbild, dürfte jetzt durch die bindend eingeholten Preise die Situation klar sein, und wir könnten den Bau, wie geplant, zügig weiterbauen."9

Das eindringliche Werben Schneider-Eslebens um die architektonisch saubere und nun auch kostengünstigere Lösung hat offensichtlich nicht ihr Ziel erreicht. Am 19. Juli 1957 richtete P. Prior Paulus im Namen von Abt Harduin und der Mitgliedern des Bauausschusses einen Brief an den Architekten, der in seinem Ton an Deutlichkeit nicht zu überbieten ist.

"Der Bau des Gymnasiums hat in den letzten vier Wochen durch Ihr, bzw. Ihres Beauftragten, des Herrn Architekten Daniels Verhalten eine große, unnötige Verzögerung erfahren. Dadurch ist der Abtei als dem Bauherrn bedeutender Schaden entstanden. Die begründete Aussicht, in den Osterferien 1958 den Neubau beziehen zu können, ist dadurch illusorisch geworden, besser gesagt, vereitelt worden. Sie haben damit die Pflicht, die ein Architekt seinem Bauherrn gegenüber hat, offensichtlich nicht erfüllt. Am 1. Juli d. J. wurde, wie Sie in den Ihnen am 3.7. zugeschickten Besprechungspunkten lesen können, mit Ihrem Beauftragten ausgemacht: Für den Anschluß des Schleppdaches an das Treppenhaus werden der Saarbau AG. unverzüglich die notwendigen Detailangaben gemacht. Bis zur Stunde wartet die Firma auf diese Angaben. Statt ihre Arbeitskräfte für die beschleunigte Fertigstellung des Baues, wie gewünscht, einsetzen zu können, muß sie die Männer die Verschalungsbretter reinigen und aufräumen lassen und weiß am Montag nicht mehr, wie sie die Leute beschäftigen soll. Wir lehnen es ab, der Saar-Bauindustrie den erlittenen Schaden zu ersetzen und sind nicht gewillt, selbst weiteren Nachteil hinzunehmen. Nach obigen Ausführungen sind Sie in Verzug. Falls Sie bis Montag, den 22.7.d.J., 10.00 Uhr der hiesigen Baustelle der Saar-Bauindustrie nicht die notwendigen Detailangaben für die Fertigstellung der Treppenhäuser und der Aufkantung des Daches - entsprechend unserem Ihnen mitgeteilten Wunsche - eingeleitet haben, werden wir Herrn Architekten Brochhausen bitten, die erforderlichen Angaben zu machen.

Sehr geehrter Herr Architekt! Nach meinem Schreiben vom 10. d.M. hatte ich von Ihnen ein anderes Verhalten erwartet. Es tut mir leid, daß Sie das bereits getrübte Vertrauen zu ihnen noch weiter untergraben haben. Es hätte nicht sein brauchen."10

Nach diesem deutlichen Brief wurde mit der Bauleitung vor Ort Herr Architekt Brochhausen beauftragt, wie aus einer Besprechungsunterlage vom 2. August 1957 zu entnehmen ist.11 Gleichzeitig wurde das Richtfest für den 30. August 1957 festgesetzt. Ein architektonischer Streit wurde kurzer Hand mit Autorität ohne Angabe weiterer Gründe entschieden. 

Abt Dominicus Meier OSB


Anmerkungen

  1. Vgl. Konventssitzung vom 20. Januar 1956, in: Protokollbuch der Abtei Königsmünster.
  2. Vgl. Konventssitzung vom 03. April 1956, in: Protokollbuch der Abtei Königsmünster. "Die Darlegungen P. Priors über den Schulneubau erhielten im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte:
    Es soll noch in diesem Jahre der Rohbau des Gymnasiums nach den neuen Plänen erstellt werden. Wie dieser Bau aussehen wird, kann nicht gesagt werden, da die Pläne noch nicht vorliegen.
    P. Prior ist entschlossen, den alten, d.h. im vergangenen Jahre entwickelten und den Behörden zur Genehmigung vorgelegten Plan aufzugeben. Die Gründe sind:
    a) Die Regierung verlangt heute eine bestimmte Bauweise für Schulen,
    b) nur wenn unter dieser Bedingung gebaut wird, kann das Kloster auf Zuschuss hoffen,
    c) P. Prior persönlich hält diese Bauweise für die richtige.,
    Auf die Frage, ob der alte Plan noch diskutabel sei, gab P. Prior keine verneinende Antwort.
    Die Finanzierung des Rohbaues ist gesichert:
    a) aus eigenen Mitteln,
    b) durch Zuschuss der Stadt,
    c) durch Zuschuss des Kreises."
  3. Brief vom 31. Mai 1956, Nr. 1717 Az. 7113, in: Schularchiv.
  4. Brief vom 04. Juni 1957, 31/Z, in Schularchiv. Der Brief ist auf die Rückseite der Verfügung vom 31. Mai 1956 verfaßt worden.
  5. Brief vom 10. Juli 1957, in: Schularchiv.
  6. Brief vom 11. Juli 1957, -4.281.0-, in: Schularchiv.
  7. Brief vom 15. Juli 1957, in: Schularchiv.
  8. ebd. 
  9. Brief vom 18. Juli 1957, in: Schularchiv.
  10. Brief vom 19. Juli 1957, in: Schularchiv.
  11. Niederschrift der Besprechung des Bauausschusses der Abtei mit den Herren Architekten Brochhausen und Daniels am 02. August 1957, in: Schularchiv.